WIR2.0-Kleinprojektförderung: fremdzuhause
Räume schaffen, Räume geben
Unter diesem Motto ist das erste Magazin von „fremdzuhause“ erschienen. Welche Räume es in Hannover gibt und wie diese verteilt werden, war auch Thema einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Release-Party.
Ende Oktober veröffentlichten die Bahriye Tatli und Tosha Rana Hausmann vom Projekt fremdzuhause erstmals ihr Magazin. Begleitet wurde die Release-Veranstaltung im BallhofZwei von Live-Musik von Semia, Savo und Band sowie einer abschließenden Aftershowparty mit DJ-Sets. Unter dem Motto „Räume schaffen, Räume geben“ versuchen Tatli und Hausmann insbesondere marginalisierten Personen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und sie so zu würdigen.
Nach einem abwechslungsreichen Eröffnungskonzert der Musikerin Semia lobte Hannovers Bürgermeisterin Monica Plate in ihrem Grußwort das Engagement der Initiatorinnen und bedankte sich auch bei den Mitarbeitenden der Landeshauptstadt Hannover für die Unterstützung. „Wir hoffen, dass sich der Prozess weiterentwickelt und dass wir jungen Kulturschaffenden die Räume und finanziellen Mittel weiterhin gewähren können“, so Plate. Darüber hinaus verkündete die Bürgermeisterin stolz, dass die Landeshauptstadt Hannover (LHH) am Vorabend für das WIR2.0-Handlungsfeld „Stadtleben und Kultur“ mit dem „Zukunftspreis #KULTURGESTALTEN“ der Kulturpolitischen Gesellschaft (KuPoGe) ausgezeichnet worden war.
Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion sprachen die fremdzuhause-Initiatorinnen mit Belgin Zaman (kulturpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion), Janika Millan aus dem Kulturbüro der LHH, Liam Harold (kulturpolitischer Sprecher der Ratsfraktion Bündnis 90/die Grünen), Lorenzo Pignatoro vom Verein Start2dance und Parisa Hussein-Nejad vom Stadtteilkulturzentrum KroKuS über die Möglichkeiten und Ressourcen der LHH für Kulturschaffende sowie über Hürden und Barrieren für junge, (post-) migrantische Kulturschaffende.
Tosha Rana Hausmann, Bahriye Tatli und Lorenzo Pignataro berichteten dem interessierten Publikum, wie sie jeweils zu ihren Projektförderungen im Rahmen des WIR2.0 kamen. Die beiden Initiatorinnen von fremdzuhause erzählten, dass sie durch ihren Kontakt zu Daniel Kalifa von der Antidiskriminierungsstelle der LHH von der WIR2.0-Projektförderung erfahren hatten. Aufgrund einer anstehenden Deadline für die Antragsstellung, waren Tatli und Hausmann gezwungen, ihren ersten Förderantrag noch am selben Abend einzureichen. „Kleiner Trick: sobald Ihr den Antrag eingereicht habt, kann im Nachhinein noch etwas korrigiert oder verändert werden“, verriet Tosha Rana Hausmann und ergänzte, dass die Antragsstellung nicht so niedrigschwellig gewesen sei, wie erhofft. Aus der Perspektive der Kulturschaffenden sprach auch Lorenzo Pignataro, der für die Realisierung des Fluid Identity2.0 Festivals im Rahmen der WIR2.0-Maßnahme „Kulturdialoge einer postmigrantischen Gesellschaft“ eine Fördersumme in Höhe von 50.000Euro bewilligt bekam. „Ich bin sehr glücklich, dass es diese Veranstaltung heute gibt, denn sowas hätte ich mir schon vor einigen Jahren gewünscht“, betonte Pignataro und erklärte, dass es mittlerweile schon Möglichkeiten zur Förderung gebe, die barriereärmer seien. Vor fünf Jahren habe er von Förderungsangeboten nichts gewusst, erläuterte er. Die Stadt würde sich seiner Meinung nach derzeit weiter öffnen. Er schilderte, dass auch er zur Antragstellung ermutigt wurde. Zudem sei er von Personen, die bereits Erfahrungen mit der Antragsstellung hätten, tatkräftig unterstützt worden.
„Es ist wichtig, dass Ihr Euch diese Räume nehmt und dafür habt Ihr meinen Respekt“, lobte der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Liam Harold. Janika Millan erklärte, dass das Kulturbüro die Möglichkeit habe, Kulturschaffende zu unterstützen und zu beraten: „Habt keine Scheu, zur Verwaltung zu gehen!“, appellierte sie. Doch um die formale Antragsstellung komme man am Ende nicht herum, so die Sachgebietsleiterin aus dem Kulturbüro. Man fühle sich als junge Kulturschaffende leider oftmals nicht ernst genommen, berichtete daraufhin Tosha Rana Hausmann. Daraus entwickele sich eine Hemmschwelle aufgrund derer man sich nicht trauen, Fragen direkt an die Verwaltung heranzutragen.
Parisa Hussein-Nejad vom KroKuS beantwortete die Frage nach den Ressourcen der LHH und erklärte, dass in den Stadtteilzentren kostengünstige Räume zur Verfügung stünden, die von der Zivilgesellschaft genutzt werden könnten. „Viele kennen z.B. das Freizeitheim Linden oder den Lister Turm, doch nicht alle wissen, dass diese Räume genutzt werden können. Brücken zu bauen und Räume und Bühnen zur Sichtbarmachung zu bieten, das sind auch unsere Ziele“, betonte Parisa Hussein-Nejad. Außerdem sei der Bereich Stadtteil Kultur offen für Kooperationen. Beispielsweise arbeite das Stadtteilzentrum KroKuS häufig mit dem Verein Start2Dance zusammen. Da immer viele Menschen die Räumlichkeiten zu den gleichen Zeiten nutzen möchten, dürfe man die Konkurrenz um Räumlichkeiten nicht vergessen, so die Leiterin des Stadtteilzentrums auf dem Kronsberg. Als eine mögliche Alternative schlug Liam Harold die Ausweitung von kulturellen Aktivitäten auf den öffentlich Raum vor.
Im abschließenden Teil der Diskussion erläuterte Belgin Zaman die Kulturpolitik des rates der Landeshauptstadt Hannover. Die Arbeit der Kulturpolitik sei es, die Bedarfe der Gesellschaft festzustellen und daraus einen Auftrag an die Verwaltung zu formulieren. Beispielsweise sei auf dieser Weise der Innovationsfonds entstanden, der die Förderung von jungen Kulturschaffenden ermögliche. „Wir nehmen mit, dass die Antragsstellung noch niedrigschwelliger gestaltet werden sollte. Allerdings muss man sich bewusstwerden, dass dies kein Selbstläufer ist“, verdeutlichte sie und ergänzte: „Als Politik reagieren wir auf das, was von den Bürger*innen an uns herangetragen wird. Doch dafür brauchen wir Euch!“.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion konnte auch das Publikum noch mit den Podiumsgästen ins Gespräch kommen, bevor Tosha Rana Hausmann und Bahriye Tatli sich und ihr Magazin fremdzuhause richtig feiern ließen – mit Livemusik und DJ-Sets der jungen, (post-) migrantischen Kulturszene Hannovers.