Indische Innovationsprozesse als Beispiel für Niedersachsen
Ein neues Forschungsprojekt an der Leibniz Universität befragt Unternehmen in Niedersachsen und im indischen Chennai zu frugalen Innovationen.
Äußerst preiswerte Kleinwagen, günstige und dabei transportable Röntgengeräte, solarbetriebene Nachtleuchten: Solche Erfindungen werden als frugale Innovationen bezeichnet. Frugale Innovationen sind Produktneuheiten, die einen bestimmten und bekannten Zweck erfüllen, dies aber mit weniger Materialeinsatz, zu geringeren Kosten oder mit einem zusätzlichen Nutzen für einkommensschwache Nutzer verbinden. Als Heimat frugaler Innovationen gilt Indien. Durch die Potentiale für eine nachhaltigere Wirtschaft und die Erschließung neuer Märkte sind frugale Innovationen in den vergangenen Jahren auch in den Fokus internationaler Forschungen gerückt. Welche Rolle frugale Innovationen in Deutschland spielen können, untersucht das Projekt "Umsetzungsbedingungen für Frugalität in Innovationsprozessen" unter Leitung von Prof. Dr. Ingo Liefner vom Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover (LUH). Das Vorhaben wird mit 166.000 Euro für drei Jahre durch das Förderprogramm Pro Niedersachsen vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützt.
Industrieregion und Heimat frugaler Innovationen im Vergleich
Im Mittelpunkt der Forschung stehen Firmenbefragungen in der Region Chennai in Indien sowie in Niedersachsen. Ziel sind mindestens 300 auswertbare Fragebögen und pro Region jeweils zehn Firmenbesuche, die die Erkenntnisse vertiefen sollen. Beteiligt an Konzeption und Ausführung des Projektes ist neben dem Team der LUH auch Prof. Dr. Balkrishna Rao, Professor für Engineering Design am Indian Institute of Technology Madras (IIT Madras) in Chennai. Die Region Chennai dient als Beispiel für eine Ursprungsregion frugaler Innovationen. Niedersachsen steht beispielhaft als weiter entwickelte Industrieregion. Beide Regionen haben wirtschaftliche Schwerpunkte im Automobilbau und den damit verbundenen Branchen.
Interesse an frugalen Innovationen
In Industrieländern zielen Innovationen selten auf die Reduktion des Ressourceneinsatzes oder die Verringerung der Erwerbs- und Betriebskosten ab. Gerade multinationale Unternehmen aus westlichen Ländern zeigen aber ein großes Interesse an frugalen Innovationen und bauen deshalb Abteilungen in Indien oder anderen Schwellenländern auf, um die Kompetenzen der dort lebenden Ingenieure zu nutzen. "Niedersachsen ist durch die starke Abhängigkeit von wenigen Branchen, wie der Automobilbranche, darauf angewiesen, neue Produktionsmöglichkeiten zu erproben, um im zukünftigen Strukturwandel erfolgreich zu bestehen", erklärt Projektleiter Prof. Liefner.
Ziel: konkreter Nutzen für beteiligte Unternehmen und ökologische Nachhaltigkeit
Das Projektteam untersucht zunächst, wie fundiert die Kenntnisse der Unternehmen über die Anwendung von Frugalität sind. Außerdem eruieren die Wissenschaftler, welche Voraussetzungen in den Unternehmen bestehen, um frugale Innovationsprozesse anzuwenden. Und drittens erforschen sie, inwieweit regionale Wirtschaftsstrukturen und Institutionen diese Kenntnisse und Voraussetzungen beeinflussen.
Konzeptionelle Grundlagen der Innovationsforschung bereichern
"Das Forschungsvorhaben wird dazu beitragen, die konzeptionellen Grundlagen der Innovationsforschung im Hinblick auf zukünftig relevante Richtungen des Innovationsgeschehens und deren Unterstützung zu bereichern", sagt Liefner und ergänzt: "Es ist zusätzlich mit einem konkreten Nutzen für innovierende Unternehmen zu rechnen, die am Projekt beteiligt sind und zusätzliche Informationen zum Thema Frugalität erhalten." Das Projekt sei der erstmalige Versuch, empirisch vergleichend zu untersuchen, welche Einflussfaktoren eine Rolle spielen, um das Prinzip der Frugalität in Innovationsprozessen anzuwenden. Sollte sich Frugalität als Standard der Produktentwicklung etablieren, so würden nicht nur Unternehmen und Verbraucher, sondern vor allem Klima und Biodiversität profitieren, denn frugale Produkte benötigen für Herstellung, Nutzung und Entsorgung weitaus weniger Energie, Ressourcen und Fläche als herkömmliche Produkte, wie das Projektteam betont.