Die Publikation stellt Quellenmaterial und relevante Archivalien zur Verfügung. Sie dokumentiert den aktuellen Stand der Forschung zu den Kunstwerken, die von dem Berliner Immobilienhändler Conrad Doebbeke (1889-1954) im Jahre 1949 der Stadt Hannover durch Ankauf übertragen wurden. Seinerzeit hatte die Stadt insgesamt 115 Gemälde, Grafiken und Skulpturen namhafter Künstler*innen des Deutschen Impressionismus und Expressionismus von Doebbeke erworben.
Teils detektivische Methoden
Die für die Publikation verantwortliche Historikerin Dr. Annette Baumann hat mit zum Teil detektivischen Methoden die Handelswege von Kunstwerken recherchiert, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von insbesondere jüdischen Privatpersonen geraubt wurden oder von diesen unter Zwangsbedingungen unter Wert verkauft werden mussten.
Der Katalog präsentiert zudem die Forschungsergebnisse zur Biografie Conrad Doebbekes und seiner Ehefrau Elsa, geb. Magnussen. Die vorliegenden Recherchen zeigen, dass nicht alle Erwerbungen aus Doebbekes Händen einen Zusammenhang mit der NS-Verfolgung aufweisen. Dennoch bedürfen einige Kunstwerke weiterhin der Forschung, um mögliches NS-Unrecht klären zu können.
Baumann forscht seit 2009 im Auftrag der Landeshauptstadt Hannover zur städtischen Kunstsammlung. Hannover hat sich 2008 zeitgleich mit dem Land Niedersachsen verpflichtet, initiativ und aktiv nach möglichen Beständen zu suchen, die unter dem Verdacht stehen könnten, unter Einfluss nationalsozialistischer Herrschaft unrechtmäßig erworben zu sein und sich heute in städtischen Museen befinden.
Damit folgt die Stadt den „Washingtoner Prinzipien“, die vor 25 Jahren durch 44 Teilnehmerstaaten unterzeichnet wurden: während der Zeit des Nationalsozialismus entzogenes Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz in den öffentlichen Sammlungen aufzufinden, zu restituieren, zu entschädigen oder faire und gerechte Lösungen für eine Entschädigung zu finden.
Recherchen sollen Transparenz herstellen
„Die Provenienzforschung steht vor großen Herausforderungen“, betont Dr. Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museum Hannover. „Aufgrund von zahlreichen Archivalienverlusten aus der Zeit des Nationalsozialismus bestehen bis heute Lücken in den Provenienzen zu Kunstwerken, die sich nur schwer oder langsam schließen lassen“, so Spieler.
„Die Aufgabe der Forschung ist es, Transparenz über die Sammlungen herzustellen“, erklärt die Provenienzforscherin Dr. Annette Baumann. „Die Publikation will einen Beitrag zu einem vernetzten Austausch darstellen, auch in der Hoffnung, künftig weitere Quellenbestände aufzudecken, die Licht in die Zeit des Nationalsozialismus bringen.“
Ursprünglich für das älteste städtische, das Kestner Museum (heute Museum August Kestner) erworben, wurden die Werke der Sammlung Doebbeke ab 1950 im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover ausgestellt. Mit Gründung des Sprengel Museums gelangten die Werke des 20. Jahrhunderts dorthin, die des Impressionismus verblieben als Dauerleihgabe in der Landesgalerie.
Restitutionsforderungen bereits seit den 1950er Jahren
Bereits in den 1950er Jahren kamen Restitutionsforderungen auf die Stadt zu, denen seinerzeit durch erfolgte Rückgaben nachgekommen wurde. Seither richtet sich die Aufmerksamkeit auf die 1949 erworbene Sammlung von Conrad Doebbeke. Infolge der verabschiedeten Washingtoner Prinzipien restituierte die Stadt 2007 das Gemälde „Römische Campagna“ (1914) von Lovis Corinth an die Erbengemeinschaft des ehemals aus Berlin geflohenen jüdischen Kunstbibliotheksdirektors Curt Glaser (1879–1943).
Im Januar des vergangenen Jahres wurde ein undatiertes Frauenbildnis von Modigliani (Umkreis), das 1941 in Paris beschlagnahmt und nachfolgend gehandelt wurde, durch den Rat der Stadt an die Erbengemeinschaft des Schriftstellers und Künstlers Michel Georges Michel restituiert. Einer tatsächlichen Rückgabe steht allerdings ein neuer, vom französischen Staat mitgeteilter Zweifel hinsichtlich der berechtigten Erbengemeinschaft entgegen.
Für weitere Werke werden zurzeit Restitutionsansprüche geklärt: Dabei geht es um das Bild Tennisspieler am Meer von Max Liebermann (ehem. Sammlung Eduard Fuchs) sowie um das Bild Wicken und Rosen (Erbsenblüten) von Lovis Corinth, für das bereits feststeht, dass die Landeshauptstadt Hannover es restituieren wird. Die Stadt beabsichtigt, sich zur Klärung von Ansprüchen an das Gemälde Wicken und Rosen (Erbsenblüten) von Lovis Corinth, an das künftig praktizierende Schiedsgericht zu wenden, das in Ablösung der bisherigen Beratenden Kommission noch in diesem Jahr eingerichtet werden soll.
Anlässlich des Erscheinens des Buches und des Tages der Provenienzforschung lädt die Landeshauptstadt Hannover für den 15. April, um 18:30 Uhr, zu einer Podiumsdiskussion zum Themenfeld Provenienzforschung ins Sprengel Museum Hannover ein.
Die Publikation „Verfemt – gehandelt. Die Sammlung Doebbeke im Zwielicht: Von Corinth bis Kirchner“, ist im Snoeck Verlag erschienen. Sie kostet 48 Euro.